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Impulskontrolle

Was ist ein Impuls und was bedeutet impulsiv?


Ein Impuls ist ein plötzlicher Antrieb bzw. die erste Reaktion auf einen äußeren Reiz, aber möglicherweise auch ohne einen für uns Menchen erkannbaren Anlass. Impulse können so stark sein, dass sie unvernünftige Handlungen auslösen. Die Kontrolle des Verstandes wird dann entweder gar nicht eingeschalet bzw. überrannt. Impulsiv meint im Umkehrschluss also das Verhalten bei dem der Hund spontan und ohne jede Erwägung selbst naheliegender Konsequenzen auf Außenreize oder innere Zustände reagiert. 


Beispiel:

Der junge Bello ist stürmisch, unkontrolliert, verspielt, aufgeregt, will alle begrüßen, alles kennenlernen oder alles fressen. Für seine Halter scheint er so glücklich und freudig zu  sein. Jedoch sind das meist eher Anzeichen eines Mangels an Selbstkontrolle oder zu schwacher Impulskontrolle. Ein solch impulsives Verhalten wirkt vor allem auf andere Hunde (oft weniger auf Menschen) unkontrolliert, unangemessen und unsozial. Das “Er will nur spielen”, das einem Hundehalter auf dem Spaziergang dann von Weitem entgegenrufen, während der Hund in die Begegnung hineinbrettert, wird von souveränen Hunden oft korrigiert oder kann auch unangenehmer ausfallen, hat man keinen sicheren, souveränen Hund an der Leine.



Was ist Impulskontrolle?


Impulskontrolle ist die Fähigkeit, eigene Gefühle und Affekte bewusst kontrollieren zu können. Erlernen unsere Hunde diese Fähigkeit, sind sie in der Lage, sich (meistens) ohne Anstrengung zurückzunehmen und einem Reiz oder einer Ablenkung widerstehen zu können. 


Der Mensch ist von seinem Verstand gesteuert und das Handeln hauptsächlich von logischen Gedanken, Aneignung von Wissen und Selbstreflexion beeinflusst. Daher ist es Menschen mit der Zeit möglich, Bedürfnisse zu kontrollieren. Der Hund hingegen ist ein Lebewesen, das sich von Sinnen und angeborenen Instinkten leiten lässt. Für einen Hund ist es also ganz natürlich, dass er seinem Impuls nachgeht und die Essensreste vom Boden frisst. Die Verhaltensmuster unserer Hunde sind also natürlich bedingt, weshalb es Hunden schwerer fällt, diese zu kontrollieren oder auf beliebige Situationen zu übertragen.

 

Wenn der Hund seine Handlungen und Emotionen in unterschiedlichen Situationen kontrollieren kann, besitzt er eine gute Impulskontrolle. Impulskontrolle beim Hund bedeutet also, dass sich der Hund nicht nur auf seine Instinkte verlässt und diesen ungebremst nachgibt, sondern lernt, ihnen widerstehen zu können, sich selbst zu regulieren und bei Herrchen oder Frauchen nachzufragen.


Die Impulskontrolle seines Hundes zu stärken ist enorm wichtig, da der Alltag für Hund und Halter nicht nur entspannter, sondern auch sicherer wird. Ein Hund der ständig abgelenkt ist, immer seinen Instinkten nachgeht und impulsiv ist, leidet nicht nur unter Stress, sondern kann auch eine Gefahr für sich und andere werden. 


Die Fähigkeit zur Impulskontrolle kann nicht generalisiert werden. Nur weil ein Hund beim Futternapf warten kann, heißt das noch lange nicht, dass er sich zurücknimmt, wenn ein Reh oder Hase aus dem Gebüsch springt oder die Nachbarskatze über die Straße spaziert.  Zu Impulskontrolle gehört es auch, dem Jagdtrieb standzuhalten, Jogger und Fahrräder zufrieden zu lassen, bei Begrüßungen und Besuch entspannt zu bleiben, bei Spaziergängen Kontakt zur Herrchen und Frauchen aufzunehmen, bei Hundebegegnungen nicht in die Leine zu springen, Leinenführigkeit generell oder auch bei Ablenkung abrufbar zu bleiben. 

Für ein harmonisches Zusammenleben ist es deshalb wichtig, dass unsere Hunde eine gewisse Selbstkontrolle erlernen, um so Emotionen und Verhalten zu regulieren. Dabei brauchen sie aber unsere Hilfe! 



Das ist NICHT Impulskontrolle


Viele Hundehalter haben ein Fütterungsritual etabliert, bei dem der Hund genau weiß, wann es Futter gibt und dass er erst nach Freigabe des Menschen fressen darf. Natürlich sind die meisten Hunde in freudiger Erwartung, was bis zu einem gewisse Grad auch völlig in Ordnung ist. Oft wird diese freudige Erwartung aber zur Euphorie. Wenn wir als Hundehalter diese Erregung nicht durch unsere Erziehung und Beziehungsarbeit regulieren, wird das Fütterungsritual zu einem enorm stressigen Ereignis für den Hund. Obwohl er gelernt hat, seinen ersten Impuls (direkt zu fressen) zu kontrollieren, steht er dennoch unter massiver Anspannung. Der Ablauf dieses Fütterungsrituals wurde zu einem Hyper-Ereignis unter hoher Erwartungshaltung. Daher kann man hier nicht von Impulskontrolle und Selbstkontrolle sprechen, sondern eher von einem konditionierten Ablauf, bei dem der Hund nie gelernt hat, sich selbst zu regulieren. 



Einflussfaktoren


Die Fähigkeit zur Impulskontrolle korreliert mit dem Stressnervensystem, ist aber von mehreren Faktoren abhängig, von welchen hier einige genannt werden:


Genetik

Je nach Hund und Rasse werden Hunde mit einem unterschiedlichen Stressnervensystem geboren. Bei einem Wurf von 10 Welpen der gleichen Rasse, bringt trotzdem jeder Hund eine individuelle Persönlichkeitssturktur mit. Daher variieren die Auslöser für impulsives Verhalten bzw. unterscheidet sich die Reizschwelle von Hund zu Hund. Aber auch die Genetik spielt eine große Rolle. So verfügt zum Beispiel der Border Collie über so gut wie keine eigenständige Impulskontrolle und gilt als besonders impulsiv. Das ist vor allem bedingt durch die Aufgabe, für welche diese Rasse gezüchtet wurde. Wäre der Border Collie nicht impulsiv und würde jedes Mal überlegen, ob es sich lohnt, einer Bewegung zu folgen, wäre er für seine ursprüngliche Aufgabe unbrauchbar. 


Im Alltag bedeutet das aber, dass Staubsauger, Besen, spielende Kinder, Bälle, Autos, Jogger, Radfahrer oder auch die sich drehende Waschmaschinentrommeln zum Thema werden können. Im Kontrast gelten beispielweise Herdenschutzhunde als geduldig, eigenständig und territorial, weil sie zum eigenständigen Bewachen der Herde gezüchtet wurden. Genetisch bedingt werden sich diese Hunde bei der Impulskontrolle im Bezug auf Bewegungsreize leichter tun, während ein vernüftiger Umgang mit Themen, wie dem Postboten oder am Grundstück vorbeigehende Menschen Impulskontrolle erfordert. 


Insgesamt ist die individuelle Persönlichkeit und die Rassegenetik eines Hundes angeboren. Weder der Hundehalter noch der Hundetrainer haben darauf irgendeinen Einfluss. Worauf wir aber Einfluss haben ist das Erlernte.



Alter

Jedes Individuum, auch wir Menschen, kommen ohne Impulskontrolle auf die Welt. Ein Säugling, genauso wie ein Welpe hat keine Möglichkeit zur Selbstregulation. Das heißt, je jünger der Hund, desto weniger Impulskontrolle hat er, weil das Gehirn noch nicht vollständig entwickelt ist. Daher kann man weder beim Säugling, noch beim Welpen von impulsivem Verhalten sprechen. 


Im Optimalfall wird bereits in jungem Alter begonnen, vorsichtig an der Impulskontrolle zu arbeiten. Je früher man damit beginnt, desto leichter fällt es dem Hund. Jedoch ist es auch bei älteren Hunden nicht zu spät!



Stress

Stress ist ein häufig unterschätzter Einflussfaktor. Steht ein Hund häufig unter Stress, wird er sich vergleichsweise schwerer tun, sich zurückzunehmen und seine Impulse zu kontrollieren als ein ausgeglichener Hund mit gewohnten Abläufen und Routinen.


Vorfreude entwickelt Erwartung, Erwartung steigert die Erregung

Erwartung steigert die Erregung im Hund und Erregung hemmt die Impulskontrolle. Wenn in der Hundeerziehung zum Beispiel viel mit Alternativ-Verhalten gearbeitet wird, das über Trieb (Spielzeug und Futter) konditioniert wird, hemmt dies die Fähigkeit zur Impulskontrolle. Denn der Hund ist in ständiger Erwartungshaltung, welche die Erregung und die Energie im Hund hochfährt. Ein sportlicher geführter Hund, der sehr leistungsstark in der Bei-Fuß-Konditionierung läuft, ist permanent in einem Erregungspotenzial, weil diese Erregung klassisch konditioniert mit hineingearbeitet wurde. Aus sozialen Aspekten würde ein Hund ein solches Verhalten nie zeigen. Auf dem Hundeplatz, während des Trainings oder während einer Prüfung ist die Erwartungshaltung nicht als etwas negatives zu sehen, es ist sogar erforderlich. Auch jeder ausbedildete Rettungs- oder Polizeihund braucht die erhöhte Energie und Erregung, um erfolgreich arbeiten zu können. Aber es muss als Gegenstück zum sozialen Training erkannt werden. Natürlich soll auch jeder Hund auch sein Gaspedal haben, aber gerade für “hochmotorisierte” Hunde, wie Hütehunde, Schäferhunde, Huskys etc. ist ein gutes Bremspedal im Alltag unersetzlich. Im sozialen Umgang ist es unsere Aufgabe als Hundehalter, die Energien ausbalancieren zu können. 


Ein Bremspedal ist zum Beispiel die Leinenführung. Mit Leinenführung ist hier nicht gemeint, den Hund mit einem Leckerli zu motivieren seinem Hundehalter hinterherzulaufen, sondern ein soziales Führen seines Hundes an der lockeren Leine. Auch das Deckentraining ist eine gute Übung für das Bremspedal, genauso wie Interventions- bzw. Abbruch-Übungen (körpersprachliches stoppen und parken, Begrenzungen, Impulskontrolle- und Ressourcenübungen).



Impulskontrolle und Frustrationstoleranz


Bei allen Übungen zur Impulskontrolle wird auch gleichzeitig die Frustrationstoleranz trainiert – also die Fähigkeit, Frust auszuhalten.


Impulskontrolle ist also die Fähigkeit, eine erste Reaktion zu unterdrücken während Frustrationstoleranz die Fähigkeit meint, ein gewisses Maß an Frust aushalten zu können. Diese beiden Fähigkeiten gehen immer Hand in Hand, denn ein Hund, der zu wenig Impulskontrolle hat, wird zwangsläufig frustriert werden. Die Reaktion des Hundes auf Frust ist Stress. 


Um übermäßigem Stress vorzubeugen ist es daher sinnvoll, seinen Hund gezielt frustrierenden Situationen auszusetzen. Es wird schlussendlich immer wieder vorkommen, dass man seinem Hund etwas nicht erlauben kann. Wichtig bei Übungen zur Frustrationstoleranz ist, dass der Hund das, was er gerne hätte, wirklich nicht bekommt, solange er nicht vollständig mit der Idee abgeschlossen hat. Denn das kann die Erwartungshaltung und damit die Erregung nur noch mehr schüren.


Beispiel: 

Ein junger Hund trifft auf dem Spaziergang einen anderen Hund und sein erster Impuls ist es, hinzugehen. Da er an der Leine nicht zum anderen Hund hingehen kann, ist er frustriert. Aus dem Frust wird Ärger, weil die Leinenführung nicht gut läuft und er keine Impulskontrolle und keine Frustrationstoleranz gelernt hat. Die Erregung wird immer höher und aus dem Ärger wird dann Wut und Aggression. Oft haben diese Hunde im Freilauf im Sozialverhalten gar keine Schwierigkeiten und trotzdem werden sie an der Leine sehr impulsiv und ungehalten.



Allgemeines zum Trainieren der Impulskontrolle


Impulskontrolle-Training ist anstrengend für unsere Hunde. Kleine Übungseinheiten in den Alltag einzubauen wird mehr Erfolg zeigen als stundenlanges Üben. Übt man zu lange oder zu intensiv wird die Impulsivität irgendwann über die Selbstbeherrschung siegen. 


Das Training sollte also Schritt für Schritt aufgebaut werden und man sollte sich dafür einige Wochen oder sogar Monate Zeit nehmen. Es ist auch wichtig, nicht direkt beim allerhöchsten Reiz starten – denn das führt nur zu Frust auf beiden Seiten. 


Man sollte sich also herantasten und testen, bis wohin der Hund noch sensibel und absprechbar bleibt. Einfach ausgedrückt: Nicht den Ball direkt werfen und erwarten, dass der Hund sitzen bleibt. Um Erfolg zu haben, beginnt man lieber erst mit kleineren Reizen und arbeitet sich dann vor zum größten Reiz, der dann vielleicht ein geworfener Ball ist. 


 

 

Gietzen A. (2023): Das Handbuch der Hundeerziehung – 4 in 1 Sammelband: Impulskontrolle bei Hunden.


Zemla S. (2023): Stress lass nach. Ein Handbuch für entspannte Hunde und ihre Menschen


Brinkmann N. (2023): Impulskontrolle

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