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Impulskontrolle

  • sabinekaho
  • 29. Dez. 2023
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 27. Okt. 2024

Impulskontrolle ist ein Teil der großen Überschrift Selbstregulation. Selbstregulation setzt sich aus verschiedenen Fähigkeiten zusammen, wozu auch Belohnungsaufschub und Frustrationstoleranz gehören.


Selbstregulation meint die Fähigkeit, seine Gefühle selbst zu kontrollieren. Das heißt, dass der Hund wirklich auch selbst lernen muss, wie man seine Gefühle beeinflusst, wie man sich selber runter fahren kann und locker werden kann. Wir Menschen können und sollen unsere Hunde natürlich dabei begleiten und anleiten indem wir sie an das Thema heranführen und Möglichkeiten für diese Art von Lernen bzw. Erfahren schaffen.



Was ist ein Impuls?


Impulse sind unüberlegte Reaktionen auf Reize. Diese Reaktionen oder Impulse können automatisiert oder durchdacht bzw. gebremst ausgeführt werden.


Impulse können z.B. aus Energiespargründen eingesetzt werden. Beispiel: Es juckt und man kratzt sich. Das tut man, ohne darüber nachzudenken - automatisiert. Der Organismus spart hier Energie, um gewisse Dinge einfach nur schnell abhaken zu können. Hat man aber eine Wunde, die ma lieber nicht kratzen sollte und es deshalb nicht tut, zeigt man Impulskontrolle. Zwischen Reiz und Reaktion passieren also verschiedene Erwägungen, die einen auf die Idee kommen lassen, dass es keine gute Idee wäre, hier zu kratzen. Bei einer schlechten Impulskontrolle wird dem Reiz erst kurz nachgegangen und dann gestoppt, oder völlig ungebremst komplett nachgegangen.  


Hunde sind sehr empfänglich für alle Arten von Impulsen. Diese können z.B. mit jagdlichem Interesse, Futter, Freude, Geräusche, Bewegungsreize etc. zu tun haben.



Was ist Impulskontrolle?


Impulskontrolle ist eine Basisfähigkeit, genauso wie Frustrationstoleranz. Wird sie während der Hirnreifung, also bis zum Ende der Pubertät und danach nicht genutzt, wird der Hund erst handeln und dann denken. Jede kopflose Aktion, egal, ob "nett" gemeint, aggressiv oder als Schreckreaktion, ist eine impulsive Handlung. Das Gefühl hinter dem Impuls ist also erst einmal nebensächlich: Alles, wo der Hund impulsiv reagiert, hat auch was mit Impulskontrolle zu tun.


Hunde mit wenig Impulskontrolle bellen, jaulen oder jammern mehr. Sie bewegen sich viel, ohne zu wissen, wohin sie überhaupt wollen, rennen ungebremst auf andere Hunde und Menschen zu springen hoch, zerkatzen Türen, fressen alles, was sie finden oder kommen ständig in Konflikte mit anderen Hunden. Auch Schreck- und Angstreaktionen sowie Jagdverhalten haben etwas mit mangelnder Impulskontrolle zu tun.


Erlernen unsere Hunde diese Fähigkeit, sind sie in der Lage, sich (meistens) ohne Anstrengung zurückzunehmen und einem Reiz oder einer Ablenkung widerstehen zu können. Die Impulskontrolle kann nie losgelöst von der Frustrationstoleranz gesehen werden, denn Selbstbeherrschung (Impulskontrolle) setzt eine entsprechend hohe Frustrationstoleranz voraus. Beides wird die Lebensqualität unserer Hunde positiv beeinflussen, wenn wir unseren Hunden die Möglichkeiten bieten, sich in diesen Fähigkeiten zu schulen.


Impulskontrolle beim Hund bedeutet, dass er sich nicht nur auf seine Instinkte verlässt und diesen ungebremst nachgibt, sondern lernt, zwischen Reiz und Reaktion sein Gehirn zu benutzen, darüber nachzudenken, ob die Idee gut ist, um ggfls. andere Entscheidungen zu treffen.


Die Impulskontrolle seines Hundes zu stärken ist enorm wichtig, da der Alltag für Hund und Halter nicht nur entspannter, sondern auch sicherer wird. Ein Hund der ständig abgelenkt ist, immer seinen Instinkten nachgeht und impulsiv ist, leidet nicht nur unter Stress, sondern kann auch eine Gefahr für sich und andere werden. 


Wozu braucht es Impulskontrolle?


Ganz viele Dinge, die wir von unseren Hunden alltäglich erwarten, die wir uns tagtäglich von unseren Hunden wünschen würden, haben mit Impulskontrolle zu tun. Abwarten können, nicht direkt zu anderen Hunden oder Menschen hinzurennen, nicht zu bellen, nicht zu beißen, nicht am Menschen hochzuspringen, nicht an der Leine zu zerren, Abrufbarkeit etc. Die Voraussetzung dafür, dass unsere Hunde solche Dinge unterlassen, ist, dass sie das überhaupt können. Also dass sie ihre Bremse bedienen können.


Abgesehen von der Wichtigkeit für den Menschen ist Impulskontrolle aber auch wichtig für den Hund selbst, wenn es um Sozialverhalten geht. Denn Impulskontrolle ist auch im Sozialkontakt mit Artgenossen wichtig: Wer direkt aufreitet, nur weil der andere spannend riecht oder direkt wütend reagiert, weil er abgewiesen wird, ist kein angenehmer Zeitgenosse. Ein solcher Hund kommt ständig in Konflikte, andere Hunden maßregeln ihn und keiner wird mit ihm spielen wollen, weil er immer übertreibt.


Für ein harmonisches Zusammenleben ist es deshalb wichtig, dass unsere Hunde eine gewisse Selbstkontrolle erlernen, um so Emotionen und Verhalten zu regulieren. Dabei brauchen sie aber unsere Hilfe!



Impulskontrolle vs. Belohnungsaufschub vs. Umlenkung


Viele Hundehalter haben ein Fütterungsritual etabliert, bei dem der Hund genau weiß, wann es Futter gibt und dass er erst nach Freigabe des Menschen fressen darf. Hier geht jedoch nicht direkt um Impulskontrolle, sondern um einen Belohnungsaufschub. Kurz abwarten und dann zum Futter dürfen.


Oft wird auch nur mit Um- oder Ablenkung angeblich die Impulskontrolle geübt. Beispielsweise wenn der Hund jetzt nicht aus dem Kofferraum springt, dann bekommt er ein Leckerli. Oder wenn der Hund den Hasen auf dem Feld nicht jagen darf, dafür aber den Ball, der in die andere Richtung fliegt. Es ist keine Impulskontrolle, wenn ein Impuls auf einen anderen Impuls umgelenkt wird.



Einflussfaktoren


Die Fähigkeit zur Impulskontrolle korreliert mit dem Stressnervensystem, ist aber von mehreren Faktoren abhängig, von welchen hier einige genannt werden:


Genetik

Je nach Hund und Rasse werden Hunde mit einem unterschiedlichen Stressnervensystem geboren. Bei einem Wurf von 10 Welpen der gleichen Rasse, bringt trotzdem jeder Hund eine individuelle Persönlichkeitsstruktur mit. Daher variieren die Auslöser für impulsives Verhalten bzw. unterscheidet sich die Reizschwelle von Hund zu Hund. Aber auch die Genetik spielt eine große Rolle. So verfügen zum Beispiel Hütehunde oder Terrier-Rassen genetisch bedingt über eine eher schwache Impulskontrolle. Das ist vor allem bedingt durch die Aufgabe, für welche diese Rasse gezüchtet wurde. Wäre der Border Collie nicht impulsiv und würde jedes Mal überlegen, ob es sich lohnt, einer Bewegung zu folgen, wäre er für seine ursprüngliche Aufgabe unbrauchbar und das Schaf weg.


Insgesamt sind die individuelle Persönlichkeit und die Rassegenetik eines Hundes angeboren. Weder der Hundehalter noch der Hundetrainer haben darauf irgendeinen Einfluss. Worauf wir aber Einfluss haben ist, was der Hund über Erziehung von uns lernt.



Alter

Jedes Individuum, auch wir Menschen, kommen ohne Impulskontrolle auf die Welt. Ein Säugling, genauso wie ein Welpe hat keine Möglichkeit zur Selbstregulation. Das heißt, je jünger der Hund, desto weniger Impulskontrolle hat er, weil das Gehirn noch nicht vollständig entwickelt ist. Daher kann man weder beim Säugling, noch beim ganz jungen Welpen von problematischem, impulsivem Verhalten sprechen.

 

Im Optimalfall wird aber bereits in jungem Alter begonnen, an der Impulskontrolle zu arbeiten. Ein Welpe sollte lernen, sich zurückzunehmen, zu warten und gleichzeitig den dabei entstehenden Frust auszuhalten.  Je früher man damit beginnt, desto leichter fällt es dem Hund. Auch die Pubertät ist eine wertvolle Zeit, um Selbstregulationsfähigkeiten zu üben. Jedoch ist es auch bei älteren Hunden nicht zu spät! Mehr dazu im Beitrag zur Frustrationstoleranz.



Stress

Stress ist ein häufig unterschätzter Einflussfaktor. Steht ein Hund häufig unter Stress, wird er sich vergleichsweise schwerer tun, sich zurückzunehmen und seine Impulse zu kontrollieren als ein ausgeglichener Hund mit gewohnten Abläufen und Routinen.


Vorfreude entwickelt Erwartung, Erwartung steigert die Erregung


Erwartung steigert die Erregung im Hund und Erregung hemmt die Impulskontrolle. Wenn in der Hundeerziehung zum Beispiel viel mit Alternativ-Verhalten gearbeitet wird, das über Trieb (Spielzeug und Futter) konditioniert wird, hemmt dies die Fähigkeit zur Impulskontrolle. Denn der Hund ist in ständiger Erwartungshaltung, welche die Erregung und die Energie im Hund hochfährt. Ein sportlicher geführter Hund, der am Hundeplatz in der Bei-Fuß-Konditionierung läuft, ist permanent in einem Erregungspotenzial, weil diese Erregung klassisch konditioniert durch die Belohnung über Futter oder Spielzeug mit hineingearbeitet wurde. Aus sozialen Aspekten würde ein Hund ein solches Verhalten nie zeigen. Auf dem Hundeplatz, während des Trainings oder während einer Prüfung ist die Erwartungshaltung natürlich gewünscht und erforderlich. Auch jeder ausgebildete Rettungs- oder Polizeihund braucht die erhöhte Energie und Erregung, um erfolgreich arbeiten zu können. Aber es muss als Gegenstück zum sozialen Training erkannt werden. Natürlich soll jeder Hund auch sein Gaspedal haben, aber gerade für “hochmotorisierte” Hunde, wie Hütehunde, Schäferhunde, Huskys etc. ist ein gutes Bremspedal im Alltag unersetzlich. Im sozialen Umgang ist es unsere Aufgabe als Hundehalter, die Energien ausbalancieren zu können.


Ein Bremspedal ist zum Beispiel die Leinenführung. Mit Leinenführung ist hier nicht gemeint, den Hund mit einem Leckerli zu motivieren seinem Hundehalter hinterherzulaufen, sondern ein soziales Führen seines Hundes an der lockeren Leine. Auch das Deckentraining ist eine gute Übung für das Bremspedal, genauso wie Interventions- bzw. Abbruch-Übungen (körpersprachliches stoppen und parken, Begrenzungen, Impulskontrolle- und Ressourcenübungen).


 


KöterCoach (2021-2024): Impulskontrolle


Gietzen A. (2023): Das Handbuch der Hundeerziehung – 4 in 1 Sammelband: Impulskontrolle bei Hunden.


Zemla S. (2023): Stress lass nach. Ein Handbuch für entspannte Hunde und ihre Menschen


Brinkmann N. (2023): Impulskontrolle


Baumann T. & I. (2021). Entschleunigung von Mensch und Hund. Gemeinsam zu mehr innerer Ruhe und Gelassenheit

 
 
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